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Personalentwicklung: „Hired for ability, fired for personality“

Persönlichkeit entscheidet oft darüber, wie geeignet ein Kandidat für eine Stelle ist. Wissenschaftlich fundiert analysieren können Sie die Persönlichkeit mit dem BIP, dem Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung.

Wir haben mit Rüdiger Hossiep, dem Entwickler des BIP, über sein Verfahren gesprochen und klären, was wissenschaftlich fundierte Personalentwicklung und verlässliches Recruiting vom Einsatz zweifelhafter Tests unterscheidet.

Foto von Rüdiger Hossiep, dem Autor des BIPs. Rüdiger Hossiep beschäftigt sich seit den 1980er Jahren mit Personalauswahl und -entwicklung

Herr Hossiep, der BIP erfasst überfachliche Kompetenzen: welche sozialen Kompetenzen hat eine Person, was motiviert sie, wie ist ihr Arbeitsverhalten. Wie wichtig sind denn solche Skills im Vergleich zur fachlichen Qualifikation?
Die Leute werden wegen ihrer Expertise eingestellt, wegen ihrer Ausbildung, ihres Studiums -- und sie scheitern an Dimensionen ihres persönlichen Verhaltens: hired for ability, fired for personality. Das heißt, fachliche Qualifikation ist wichtig, aber sie ist eben längst nicht alles. Deswegen müssen wir sehr genau auf die überfachlichen Kompetenzen schauen.

Wie hilft der BIP dabei?
Der BIP ist im Prinzip eine systematische Selbstbeschreibung. Das gibt es auch woanders: Sie beschreiben sich selbst im Vorstellungsgespräch oder wenn Sie eine Bewerbung schreiben. Die Ergebnisse des BIP müssen natürlich mit solchen Eindrücken abgeglichen werden. Aber mit dem BIP bekommen wir etwas an die Hand, was uns systematisch den Zugang zu Personen erleichtert, diesen Zugang benchmarkt und damit vergleichbar macht. Das ist eine sehr wertvolle Hilfe.

Was würden Sie denn jemandem empfehlen, der den BIP macht? Wenn ich einen Job unbedingt will, wie sollte ich dann am besten antworten?
Genauso wie in der Instruktion: Relativ spontan und nach bestem Wissen und Gewissen eine möglichst aufrichtige Antwort geben. Alles andere macht keinen Sinn. Sie wollen doch gar keinen Job haben, für den Sie überhaupt nicht geeignet sind.

Trotzdem: Manche versuchen bestimmt, die Fragen so zu beantworten, dass sie in einem besonders positiven Licht dastehen. Ist der BIP dagegen immun?
Sie können ein bestimmtes Selbstbild nicht systematisch durch die Beantwortung erzeugen. Das ist nicht schlüssig möglich, das kriege ich auch nicht hin. Das heißt, Sie haben 210 Fragen in einer sechser Ausprägung. Zudem ist zu allen Skalen eine Normierung hinterlegt. Dadurch ist es unmöglich, ganz bestimmte Profile zu erzeugen.

Im Bereich Persönlichkeit gibt es kein mehr ist besser

Letztlich ist es ja auch beim BIP nicht so, dass ich eine bestimmte Punktzahl erreiche und dann entweder besser oder schlechter bin.
Genau. Es existiert im Bereich von Persönlichkeit kein mehr ist besser. Ganz im Gegenteil. Man muss in jedem Einzelfall nach der Kombinatorik der Ausprägung schauen. Auch ein „Zuviel" muss nicht zuträglich sein. Bei jeder Skala gibt es Risiken, nicht nur in einer zu geringen, sondern auch in einer zu hohen Ausprägung. Das muss dann mit den spezifischen Anforderungen an den Job abgeglichen werden.

Um Personalverantwortlichen das zu erleichtern, gibt es seit dem Jahr 2020 das Anforderungsmodul zum BIP, das BIP-AM. Wie funktioniert das?
Das BIP-AM erlaubt es Kenner*innen einer Position (das können Inhaber*innen der Stelle sein, das können Kolleg*innen, Vorgesetzte und Personalspezialist*innen sein) die Position vor dem Hintergrund der BIP-Skalen systematisch zu beschreiben. Damit kommt man zu einem vertieften Verständnis der Anforderungen. Stellenanzeigen sehen alle gleich aus: Die Leute sollen teamorientiert, dynamisch und führungsstark sein. Aber es macht wenig Sinn, dass jemand ein hoch ausgeprägtes Führungsmotiv hat, wenn die Aufgabe gar nicht die Möglichkeit bietet, das auch einzubringen.

Persönlichkeitsorientierte Verfahren mit gravierenden Mängeln

Sie haben den BIP während der 1990er Jahre entwickelt. Wie kam es dazu?
Also ich befasse mich jetzt seit rund 40 Jahren mit Eignungsdiagnostik. Nach meinem Vordiplom 1980 bin ich zum Lehrstuhl von Professor Heinrich Wottawa (Ruhr-Universität Bochum) gekommen. Dort ging es darum, die in Deutschland brach liegende Ausbildung zur Psychologischen Diagnostik wiederzubeleben. Und wir haben dann ein Lehrbuch geschrieben, das ist Ende 1986 erschienen (Grundlagen psychologischer Diagnostik). Da war ich allerdings schon gar nicht mehr in Bochum.

Was haben Sie stattdessen gemacht?
Ich bin zu einer Personalberatung nach Düsseldorf gewechselt. Dort habe ich mich mit der Suche, Auswahl und Begutachtung von Führungskräften beschäftigt. Dazu musste ich das an Verfahren nutzen, was verfügbar war. Anschließend bin ich zur Zentrale der Deutschen Bank gegangen.

Waren Sie denn zufrieden mit den Verfahren, die Sie selbst für Recruiting und Personalauswahl nutzen mussten?
Nein. Ich habe natürlich auch festgestellt, dass viele persönlichkeitsorientierte Verfahren nichts zu bieten haben oder sogar gravierende Mängel aufweisen. Anfang der 1990er Jahre habe ich deswegen begonnen, selbst ein Verfahren zu entwickeln, das dem etwas entgegensetzt. Das war natürlich nur möglich durch meine eigene Tätigkeit in der Wirtschaft und meine vielfältigen Kontakte. Sodass wir dann Mitte der 1990er Jahre auch soweit waren, diese Sache im großen Stil zu erproben.

Oft werden in Unternehmen zweifelhafte Verfahren eingesetzt

Was genau ist denn das Problem mit vielen Verfahren, die in der Personalentwicklung oder im Recruiting eingesetzt werden?
Wir haben 2015 die 580 größten Unternehmen in Deutschland befragt, welche Verfahren sie denn einsetzen. Auf den ersten beiden Plätzen liegen Verfahren, die auf bestimmten Typenmodellen basieren. Die sind entweder so gut beforscht, dass wir wissen, dass sie keine stabilen Typen liefern. Das heißt, bei einem Retest hat die Hälfte der Leute eine ganz andere Einschätzung. Oder aber es werden Verfahren genutzt, über deren Validität wir schlicht nichts wissen.

Das heißt, es gibt Verfahren, deren Qualität entweder zweifelhaft ist oder wir kennen sie nicht. Das sind meist Lizenzmodelle, da muss man dann teure Seminare besuchen, um sie durchführen zu dürfen. Danach weiß man aber trotzdem nicht, wie sie funktionieren, weil sie nicht transparent sind. Beim BIP ist das anders.

Inwiefern?
Der BIP ist das einzige belastbare Verfahren mit beruflichem Bezug, das breit beforscht ist und zugleich vollständig publiziert; und von dem man nachweisen kann, dass es reale Zusammenhänge bei Fach- und Führungskräften in der DACH-Region aufzeigen und nachweisen kann. Das war schon vor 20 Jahren so und das hat sich seither nicht geändert. Und: Sie können den BIP auch ohne Seminar benutzen. Zwar qualifizieren wir Anwender*innen auch. Das heißt, wenn Sie mehr wissen wollen, dann sollten Sie zu uns kommen. Sie müssen aber nicht.

BIP-Seminare: Keine Pflicht, aber gern besuchte Kür

Viele Anwender*innen wollen tatsächlich mehr wissen, die BIP-Seminare sind sehr gefragt. Im November werden Sie bereits ihr 50. Hogrefe-Seminar durchführen. Und es ist schon lange ausgebucht. Was motiviert Sie, sich nach 20 Jahren noch ins Seminar zu stellen?
Vorweg: Es ist das 50. BIP-Grundlagenseminar, das Modul I, und wir veranstalten zudem seit Jahren das Modul II, den Interpretationsworkshop. Davon sind auch schon etliche durchgeführt worden. Grundsätzlich ist das Wasser an der Quelle am besten und ich bin davon beseelt, diese Dinge dann eben auch an die Anwender*innen in bester Qualität weiterzugeben. Deshalb leite ich jede BIP-Qualifizierung selbst.

Sie wollen also, dass die Leute das Verfahren von Ihnen persönlich lernen?
Ja, vom Entwickler, das macht ja allen Sinn der Welt. Heute ist es leider häufig so, dass Testentwicklung ein Alterswerk ist. Der BIP hingegen ist bereits erschienen, bevor ich 40 war. Insofern bin ich in der glücklichen Situation, das dann auch über Jahrzehnte begleiten zu können.

Wenn man auf den BIP an sich blickt, hat der sich den auch verändert? Oder ist er einfach seit 1998 gleich geblieben?
Da hat sich Einiges getan. Bereits 2003 kam die zweite Auflage. Dafür haben wir die Normierung erheblich erweitert. Und haben vor allem den Fragebogen handhabbarer gemacht. 2018 haben wird dann eine komplett neue Normierung vorgelegt, mit über 22.000 Personen. 2019 kam dann die dritte durchgesehene Auflage.

Wie sieht es mit den Items aus, hat sich da etwas getan?
Das Item-Material, die 210 Items, das ist identisch geblieben. Daran werden wir sicher auch nichts ändern, es wird diesen BIP wahrscheinlich immer weitergeben. In einigen Jahren ist durchaus denkbar, einen neuen revidierten BIP daneben zu stellen. Aber diesen alten BIP werden wir weiter haben, weil es immer Gutachter*innen und Diagnostiker*innen gibt, Leute, die Entwicklungsarbeit mit Fach- und Führungskräften betreiben, die sagen: „Diese Fragen sind das Bündel, an dem ich etwas sehe". Denen nimmt man diese Fragen auch nicht weg.

Seit 2012 gibt es ja außerdem dem BIP-6F. Können Sie uns dieses Verfahren kurz erklären? Der BIP-6F ist auch eine Reaktion auf den vielen Unfug, der in diesem Sektor persönlichkeitsorientierter Verfahren passiert. Also im Markt gibt es sicherlich 250 Verfahren. Nach meiner Schätzung sind davon zwei Drittel grober Unfug und bei dem anderen Drittel muss man auch nochmal genau hinschauen. Dabei sind eben viele Verfahren, von denen wir wissen, dass sie keine belastbaren Ergebnisse liefern.

Quick aber nicht dirty: Der BIP-6F

Was für Verfahren sind das zum Beispiel?
Wie gesagt, dabei sind die klassischen Typenmodelle, die auf Carl Gustav Jung oder William Moulton Marston fußen. Dass sie keine belastbaren Ergebnisse liefern, ist zur Genüge nachgewiesen. Darüber hinaus existieren viele Verfahren, die mit einer Blackbox arbeiten. Das heißt, Anwender*innen wissen nicht genau, was das Verfahren macht. Es bleibt im Dunklen, wie die Standardwerte tatsächlich verrechnet werden.

Es gibt eben einiges, was quick and dirty ist. So nach dem Motto „Beantworten Sie diese 20 Fragen und ich sage Ihnen wie Sie, Ihre Kollegen und alle anderen so sind. Dann wissen Sie, was Sie zu tun haben“. Und um dem etwas entgegenzusetzen, haben wir den BIP-6F als Kompaktverfahren entwickelt, das quick ist, aber nicht dirty. Bei einem wissenschaftlich beforschten und publizierten -- und damit auch kritisierbaren -- Verfahren, wie denen der BIP-Familie, ist es so, dass jeder Schritt nachvollziehbar und im Manual nachlesbar ist.

Wie genau funktioniert der BIP-6F?
Der BIP-6F ist ein Kompaktverfahren. Die Bearbeitungszeit liegt unter 10 Minuten, meist sechs bis acht Minuten. Man kann es auch gemeinsam mit dem BIP durchführen. Sie bekommen mit dem BIP-6F eine neue Anleuchtung, sozusagen auf dem Feldherrenhügel. Das ist wie ein Weitwinkelobjektiv, Sie gucken sich damit die Landschaft breit an, und mit dem BIP bin ich in der Lage wie durch ein Teleobjektiv 14 Skalen sehr genau anzuschauen.

Wann würden Sie den Einsatz vom BIP-6F empfehlen?
Wenn ich mit dem BIP arbeite, gebe ich immer auch den 6F mit vor. Zudem ist er separat niederschwellig einsetzbar, durch die kurze Bearbeitungszeit, und er ist auch einfacher interpretierbar, weil er eben diese Faktorenstruktur hat, womit die Dimensionen weitgehend unabhängig voneinander sind.

Deswegen: Wenn Sie eine komplizierte Fragestellung haben, dann sollten Sie den BIP einsetzen. Aber: Selbst bei einer sehr differenzierten Fragestellung ist es so, dass der BIP-6F nicht selten nochmal einen erheblichen Mehrwert bietet. Deshalb plädiere ich dafür, beides parallel einzusetzen.

Herr Hossiep, vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Rüdiger Hossiep

Seit 1990 an der Fakultät für Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) tätig. Leitung des Projektteams Testentwicklung. Er gehört zu den führenden Management-Diagnostikern.

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